In einem Embryo im Frühstadium, Spermium oder Ei-Zelle wird mit einer Gentechnik eine bestimmte DNA-Sequenz verändert. Genetisches Material wird hinzugefügt oder die ursprüngliche Sequenz inaktiviert. Dies wird auch als Keimbahnveränderung oder Keimbahntherapie bezeichnet. Die veränderte DNA wird Teil des Genoms aller Zellen dieses Kindes und wird an die nachfolgenden Generationen weitergegeben, so dass sie Teil des menschlichen Genpools wird. Eine dieser Techniken heißt CRISPR-Cas9 (clustered regularly interspaced short palindromic repeats - CRISPR-associated protein 9, siehe unten).
Heritable Human Genome Editing (HHGE) Interventionen in klinischen Anwendungen sind derzeit nicht erlaubt, könnten aber in Zukunft legalisiert werden.
HHGE-Wissenschaftler*innen möchten die Möglichkeit von klinischen Anwendungen offen lassen, etwa um Erbkrankheiten "herauszueditieren" oder sogar um die menschlichen Fähigkeiten zu „verbessern". Sie behaupten, dass das Genome Editing ein sehr grosses therapeutisches Potenzial besitzt.
Es bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser Techniken. Es gibt den Begriff der „Off-Target"-Genveränderung, eine unbeabsichtigte Veränderung, die die Funktion der DNA verändern kann. Dies würde bedeuten, dass die klinische Anwendung mit unvorhersehbaren Ergebnissen behaftet ist. Die Fehler würden an die nächste Generation weitergegeben.
Die andere Anwendung von HHGE an Embryonen dient der Grundlagenforschung und nicht der Fortpflanzung. Bei der Genom-Editierungsforschung werden menschliche Embryonen verwendet, um die frühe Embryonalentwicklung und die Veränderungen bei genetischen Krankheiten besser zu verstehen. In einigen Ländern ist dies bereits erlaubt.
Es gibt drei Möglichkeiten, wie das Heritable Human Genome Editing (HHGE) eingesetzt werden soll:
HHGE an Embryonen für die Grundlagenforschung (nicht zu reproduktiven Zwecken)
HHGE für die klinische Anwendung, als „Therapie" (zu reproduktiven Zwecken, vererbbar)
Enhancement von Individuen (Veränderung eines Embryos durch einen Eingriff zur Erweiterung von menschlichen Merkmalen, nicht-therapeutischer Eingriff)
Die Anwendung von HHGE in der Grundlagenforschung ist schwer zu verhindern. Vom Einsatz von HHGE in der Grundlagenforschung folgt die klinische Anwendung zu „Therapiezwecke" als nächster Schritt und von da ist die „Enhancement"-Behandlung schon nicht mehr weg zu denken. Es ist wie man auf englisch sagt eine „Slippery Slope".
Im Jahr 2018 gab Dr. He Jiankui bekannt, dass er die ersten genmanipulierten Babys, Zwillinge, erschaffen hatte, deren Genom angeblich auf HIV-Resistenz editiert worden waren. Wissenschaftler verurteilten Dr. He's Aktionen. Man war sich einig, dass die Gen-Editing-Technologie zu verfrüht ist, um zu reproduktiven Zwecken eingesetzt zu werden. Dr. He Jiankui wurde verurteilt (3 Jahre Gefängnis), weil er gegen das chinesische Verbot der klinischen Anwendung von Gen-Editing zu Reproduktionszwecken verstoßen hatte.
Was ist CRISPR?
Die Technologie der „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats" (CRISPR) bezeichnet eine Art molekularen Schere. Wissenschaftler*innen bevorzugen diese Technik, weil sie schneller und billiger als andere Genom-Editing- und ältere Gentechnik Methoden ist, und weil es sich um eine präzise(re) Methode zur gezielte Veränderung jedes Genoms handelt.
Die Technik von CRISPR-Cas9 ist von einer speziellen Immunabwehr von Bakterien abgeleitet. Sie fangen kleine Stücke der DNA des infizierenden Virus ab und fügen sie als CRISPR in ihre eigene DNA ein, wodurch sich die Bakterien an das Virus erinnern können. Das neu angreifende Virus wird durch das CRISPR-Cas9-Enzym bekämpft, das die DNA des Virus an der bekannten Sequenz schneidet, wodurch das Virus unschädlich gemacht wird.
Dieses Immunabwehrsystem von Bakterien wurde von Wissenschaftler*innen für die Bearbeitung von DNA im Labor angepasst. Wenn CRISPR in eine Zelle eingeführt wird, erkennt es die angesteuerte DNA-Sequenz, und das Cas9-Enzym schneidet die DNA an der gewünschten Stelle.
Genom-Editing wird auch als Genom-Chirurgie bezeichnet und der CRISPR-Mechanismus wird durch das Bild der „Genschere" erklärt.
Allerdings ist das Genom-Editing für seine Fehler bekannt. Man spricht von „Off-Target"- und „On-Target"-Effekt sowie einem so genannten „Mosaik".
Ein „Off-Target" bedeutet, dass Genabschnitte verändert werden, die eigentlich nicht verändert werden sollten.
Ein „On-Target"-Effekt liegt vor, wenn der zelleigene Reparaturmechanismus zwar die richtige Gensequenz verändert, aber anders als geplant.
Ein „Mosaik" liegt vor, wenn die genetische Veränderung nur in einem Teil der Zielzellen erfolgreich umgesetzt wurde, nicht aber in allen behandelten Zellen. Mosaizismus bedeutet, dass nur ein Teil der Zellen in einem mehrzelligen Embryo gleich verändert wurde.
Alle diese Fehler können zu schädlichen Folgen führen.
Die möglichen kurz- und langfristigen Schäden des Genome Editing, einschließlich der möglichen Folgen unbeabsichtigter Off-Target-Effekte und unerwünschter On-Target-Effekte sowie des genetischen Mosaizismus, müssen vollständig verstanden werden, bevor die Optionen für medizinischen Anwendungen in Betracht gezogen werden können.
Internationale Bioethik Normen
Die internationalen Bioethik-Normen fordern ein Verbot der klinischen Anwendung von HHGE.
Es bedarf einer öffentlichen Debatte und eines öffentlichen Engagements, um die ethischen, sozialen, kulturellen und rechtlichen Auswirkungen des Human Germline Genom Editing zu erörtern und zu reflektieren.
Schlupflöcher in der Auslegung wird es immer geben, auch wenn die Absicht dieser bioethischen Normen klar genug zu sein scheint:
In 1997 hat die UNESCO in ihrer Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights ein Moratorium für das Keimbahn Editing ausgesprochen.
In 2005 formulierte die UNESCO in Artikel 16 der Universal Declaration on Bioethics and Human Rights den Schutz von künftigen Generationen:
„Die Auswirkungen der Biowissenschaften auf künftige Generationen, einschließlich ihrer genetischen Konstitution, sind gebührend zu berücksichtigen".
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (CFREU) aus dem Jahr 2000 verbietet eugenische Praktiken, die durch klinische Anwendung des Keimbahn Genom Editing zur Praxis werden könnten.
In 1997 die Oviedo-Konvention des Council of Europe’s Convention on Human Rights and Biomedicine, ratifizierte den Beschluss, dass bei der Genveränderung in der Keimbahn keine Veränderungen vorgenommen werden dürfen, die an künftige Generationen weitergegeben werden können.
Außerdem heißt es in Artikel 11 der Oviedo-Konvention, dass „jede Form der Diskriminierung einer Person aufgrund ihres genetischen Erbes verboten ist".
In Artikel 13 der Oviedo-Konvention könnte auch verstanden werden, dass das Genome Editing zu therapeutischen Zwecken zulässig ist, wenn die Veränderung des Genoms des Kindes nicht das Ziel ist, sondern nur ein Nebeneffekt im klinischen Prozess.